Rat - Killing

Rattenjagd mit Hunden
- von der Not zum Sport

Ratten als Schädlinge und Krankheitsüberträger waren zu allen Zeiten ein besonderes Problem. Eine wirksame Methode der Bekämpfung war der Einsatz von Hunden. Diese mussten flink, passioniert und relativ schmerzunempfindlich sein, da Ratten in der Not äußerst wehrhafte Tiere sind. Deshalb wurden auf Bauernhöfen, in Vorratslagern und in Ställen immer entsprechende Hunde zur Vertilgung von Ratten und auch Mäusen gehalten. Aus den „Rattlern“ gingen Rassen wie die Pinscher und Schnauzer hervor. Aber auch die Terrier wurden zur Bekämpfung der Ratten eingesetzt. 

In den Kriegen waren „Rattler“ eine wichtige Hilfe gegen diese Schädlinge, weil in den militärischen Stellungen die Rattenplage ein großes Übel darstellte. Deshalb gab es immer wieder Aufrufe, geeignete Hunde zur Bekämpfung der Ratten zur Verfügung zu stellen. 

Das Vergnügen bei der Beobachtung der Leistungen und der Arbeitsweise der Hunde führte vor allem in England bald dazu, eine neue „Sportart“ zu kreieren, das „Rat – Killing“. Die vielen Häfen und Schiffe, sowie die mangelhaften hygienischen Zustände in den Städten, boten beste Bedingungen für Ratten. Kämpfe von Hunden gegen andere Tiere hatten in England auch schon eine lange Tradition.

Die Kampfarena für das „Rat – Killing“, „The Pit“, war einfach und leicht zu errichten. Die Seitenwände mussten nur hoch genug sein, um das Überspringen durch die Ratten zu verhindern. Zudem wurde durch Horizontalbretter und Draht ein Entwischen der Opfer unmöglich.

Als „Rat – Catcher“ wurden Hunde, die Kreuzungen von Bulldoggen alten Typs und Terriern waren, eingesetzt. Einer der prominentesten Vertreter dieser Kämpfer war ein gewisser „Billy“, dessen Leistungen beim Kampf gegen Ratten so sensationell waren, dass er auf zwei sehr bemerkenswerten Grafiken dargestellt wurde, die auch zur Sammlung Dr. Fleig gehören. Unterhalb der Grafik, die ihn beim Rattenkampf zeigt, ist eine genaue Beschreibung seiner Herkunft und eine Auflistung seiner erfolgreichsten Kämpfe. Demnach schaffte er es, in fünfeinhalb Minuten 100 Ratten zu töten, das wären etwas mehr als drei Sekunden pro Ratte. Ob es tatsächlich so war, oder ob es sich um Propaganda handelte, sei dahingestellt. Sicher ist, dass solche Hunde ungeheuer populär waren, und dass ihre Züchter und Besitzer viel Geld mit ihnen verdienen konnten.

Samuel Howitt: THE TERRIER, London 1798
Samuel Alken: RAT HUNTING, 1823
G. Hunt n. J. L. Clark ; BILLY, ….., London um 1820
3-F162
BILLY, THE CELEBRATED RAT KILLING DOG ….., London 1823

Bei der Hundeausstellung in Wien im Jahr 1908 wurde ebenfalls eine „Rattenfängerprüfung“ für das schaulustige Publikum veranstaltet. Die Arena war acht Meter lang und drei Meter breit und stand vor einer ansteigenden Tribüne. Die Ratten wurden von den Wiener Kanalräumern angeliefert.


Die Rattenfängerprüfung

(DER HUND, Juli 1908)

 Es war keine schlechte Idee, einmal eine „Gebrauchshundeprüfung“ für „Luxushunde“ (?) abzuhalten und hat der „Österr. Klub für Luxushunde“, bzw. die Leitung der Jubiläumsausstellung mit dieser Veranstaltung einen guten Griff getan. Es herrschte reges Interesse für die Sache schon am Sonntage und auch am Montag, an dem die Ausstellung ja doch schon vorüber war, kamen noch eine Menge von Besuchern, die nicht alle aus bloßer Neugierde hineingelaufen waren. Für zartbesaitete Naturen oder hysterische Damen ist das Schauspiel nicht bestimmt, dann auch nicht für solche Menschen, denen sich …schnell der Magen umkehrt.


Der Schauplatz der Prüfung befand sich vor einer amphitheatralisch ansteigenden Tribüne in einem Käfig von zirka acht Metern Länge und drei Metern Breite, dessen Boden in Schulterhöhe über dem Erdboden lag. Der ganze Käfig war ringsum von einem engmaschigen Drahtgeflecht umgeben; an der Innenseite befand sich in Meterhöhe ein 30 cm breites Horizontalbrett ringsum den ganzen Raum, das ein Hinaufklettern der Ratten zum Plafond verhinderte. Außerdem befand sich beim Eingange ein quadratmetergroßer Vorraum, der den Hunden zum Aufenthalt diente, bis sie das Kommando „Los!“ zur Arbeit rief.


Der Käfig war bald zusammengezimmmert. Woher aber das Rattenvolk nehmen? Der Rattenfänger von Hameln war über die Feiertage verreist und so mussten seine Stelle die  Wiener Kanalräumer versehen. Samstag nachmittags kam die erste Lieferung „Kanalforellen“. Ein Deichgräber in hohen Wasserstiefeln trug drei grüne Gurkengläser über der Schulter, in denen sich die armen Todeskandidaten befanden. Zuerst ihrer wenige nur; dann aber kam tüchtiger Nachschub, und endlich waren für die beiden Prüfungstage einhundert und einige Stücke zur Stelle. Nicht genug an dem: in der Nacht von Sonntag auf Montag brachte eine der „Rattinnen einen ausgeglichenen Wurf von sechs Rattelchen“.


Damit die Ratten sich verkriechen konnten, wurde am ersten Tage eine Schütt Holzwolle auf den Boden geworfen. Die große Wärme und der scharfe Harzgeruch der frischen Holzwolle nahmen den Hunden jedoch die Möglichkeit, die Ratte entsprechend zu wittern. Am Montag wurde zu dieser Schütte Stroh verwendet, das seinen Zweck viel besser erfüllte. An anderen Orten habe ich bereits erwähnt, dass es die angemeldeten Hunde nicht an Schneid fehlen ließen. Ganz eigentümlich aber war es anzusehen, wie die Angehörigen der verschiedenen Rassen zu Werke gingen. Leider habe ich einen Hund nicht arbeiten gesehen, und zwar einen Neufundländer, der seine Ratte ebenfalls würgte, da er mit einer HLE bedacht wurde.


Der Bullterrier „Joung Como“, ein aus England importierter Hund, ist ganz Leben, eifrig wie ein Pointer das einemal, die nächsten Sekunden ein Bild aus Erz, dann ein paar gemessene Bewegungen – und jetzt kriegt er Witterung von seinem Opfer. Ein Fahrer, der feine Fang „sticht“ ins Stroh, ein kaum merklicher Beutler, man kann eigentlich nur „Zucker“ sagen, und „die Ratte liegt mausetot“ am Boden. Ohne sie zu knautschen oder herumzuschleppen kehrt der Hund in den Vorraum zurück, wo ihm der Fang sauber aus- und abgewaschen wird.


Gröber gehen die Bulldoggen los; ihnen fehlt es an Eleganz der Bewegung. Hier ist mehr Wucht, eine Folge der Masse. Die „Nasenarbeit“ lässt gewöhnlich zu wünschen übrig. Wenn aber die Ratte aus dem Stroh heraushuscht, dann geht`s los. Das Würgen und Fassen der Ratte fällt dem Bulldog jedoch schwer, da ihn sein weit vorstehender Unterkiefer an einem richtigen, raschen Zugreifen hindert. „Buss“ der Frau Grünebaum ist ein ganz patenter Würger. Wenn sich, was beim ersten Zugreifen fast jedesmal der Fall war, die Ratte in den Lefzen des Hundes verbeißen wollte, so trat der Hund energisch mit der Pfote aus sie und riss die Ratte los, ohne auch nur einen Laut des Schmerzes von sich zu geben.


Tadellos arbeiteten die deutschen rauhaarigen Pinscher; besonders die beiden Hunde „Treff“ und „Lotti“ des k.k. berittenen Sicherheitswachekorps taten sich durch zielbewusste, ausdauernde und stets gleich gute Arbeit hervor. Sie wissen, worum es sich handelt, stehen ohne Faxen und ohne sich zu rühren vor dem Gittertürchen am Einlass und treten, nachdem ihnen dieser freigegeben, lautlos in den Käfig, wo sie zugleich mit Auge und Nase zu arbeiten und zu suchen beginnen. Das ist kein Herumtoben und zweckloses Herumspringen, alles ist an den Hunden Aufmerksamkeit, alles geschieht mit Überlegung. Der Hund steht am Rande der Strohschütt, unbeweglich, nur das Auge bewegt sich. Auf einmal rühren sich ein paar Strohhalme. Im Nu ist der Hund mit der Nase zwischen den Halmen – man hört einen feinen Quietscher, die Ratte ist tot – auf den ersten Biss.


Jede Arbeit oder jeden Hund zu beschreiben, das würde zu weit führen, denn weit über hundert Ratten mussten ihr Leben unter den scharfen Fängen der Hunde hergeben. Ich kann jedoch sagen, dass die Geschichte ganz interessant war und keinesfalls so ekelerregend, als man glaubt, annehmen zu dürfen. Da hat es bei den Schliefen schon viel garstigere Bilder gegeben.