Samuel Howitt (1756/57 – 1822/23): Bärenjagd

Bärenbeißer und Bullenbeißer

Für die Jagd auf die größten Wildarten Europas, den Bär und das Wildrind, wurden seit jeher große kräftige Jagdhunde gezüchtet. Ihre Namen weisen sie als die Kämpfer an der Seite des Jägers und  seine wichtigsten Helfer bei der Jagd aus. Wenngleich nicht so angesehen wie die Windhunde, waren Bärenbeißer und Bullenbeißer, sowie die „Jagd“ mit ihnen, doch häufige Themen der Literatur und der bildenden Kunst.

In der Sammlung Dr. Fleig befindet sich eine ganze Reihe hervorragender Arbeiten, die den Einsatz dieser Hunde zum Thema haben. Auf den Bildern ist in der Regel der Moment festgehalten, in dem das Wildtier von den Hunden gestellt und angefallen wird. Die Jäger sind, wenn überhaupt, nur im Hintergrund dargestellt und warten, bis die Hunde ihre Arbeit verrichtet haben, um das erschöpfte Wildtier relativ gefahrlos töten zu können. Die Hunde sind in der Regel sehr groß und kräftig, von verschiedener Farbe und schier unbändiger Wildheit. Ein weit aufgerissener Fang, der ein mächtiges Gebiss erkennen lässt, und funkelnde Augen lassen sie fast dämonisch erscheinen. Die Bildkompositionen sind äußerst bewegt und unterstreichen die Dramatik des Geschehens.

Nachdem Wildrinder und bald auch Bären in der freien Wildbahn kaum noch anzutreffen waren, bekamen Bärenbeißer und Bullenbeißer bei den so genannten „Kampfjagden“ ein neues Betätigungsfeld. Wildtiere wurden in Tiergärten gehalten und bei diversen Anlässen, zum „Vergnügen“ des Publikums, von Hunden in einem abgeschlossenen Areal gehetzt.

Studienblatt Bärenjagd, London 1817
Bullenbeißer, Skulptur mit eingesetzten Glasaugen, England

Hans Friedrich Freiherr von Flemming schreibt in Der vollkommene Teutsche Jäger(1719) über die die Ausbildung der Hunde zur Bärenhetze, nachdem man sie zuvor an „mäßigen Sauen“ eingearbeitet hat: „Endlich lässet man sie an kleine Bären, und eiset sie an, ….. , daß sie an den Ohren anfassen, will gleich solches sofort nicht angehen, muß man dieselben, weil sie sich fest einbeissen und verfangen, geschwind mit einem Knebel, oder besser mit einer starken rauchen Gänsefeder, oder Rütchen in die Kehle oder Gurgel kitzeln, als dann lassen sie selbst loß und kann man sie hernach zu rechte weisen, so fassen sie ein ander mahl nach Verlangen besser an.“ Über die Bullenbeißer schreibt Flemming: „ ….. wo die Bäre selten, pflegen manche Herrschaften darmit Stiere, Ochsen, oder Bollen zu hetzen, welches aber eine Übung, so mehr denen Fleischern, als Jägern anständig, und mir unbekannt ist, als der ich nur von wilden Thieren zu schreiben willens bin.“ Damit ist der Hinweis gegeben, dass Kämpfe von Hunden gegen Stiere damals durchaus üblich waren. Man war auch der Meinung, das Fleisch schmecke besser, wenn das Rind vor der Schlachtung gehetzt wurde. In Wien wurden solche „Tierhetzen“ in einem eigens dafür errichteten „Hetztheater“ bis 1796 veranstaltet. Dabei wurden so ziemlich alle Tiere (Wildtiere und Haustiere), die man auftreiben konnte, von den Hunden malträtiert.

J. Galle n. J. Stradanus: Stierkampf, 2.H. 16.Jh.
Gerda van den Bosch: Bullenbeißer nach historischen Vorbildern (Auftragswerk von Dr. Fleig), Bronze 2.H. 20.Jh.
Johann Elias Ridinger: Großer Bärenbeißer

Von Bullenbeißern enthält die Sammlung Dr. Fleig viele bemerkenswerte Skulpturen und Grafiken. Es sind durchwegs Hunde von wuchtiger Erscheinung, meist mittelgroß und kräftig, mit einem breiten Fang mit Vorbiss. Besonders beeindruckend sind die Skulpturen mit eingesetzten Glasaugen. Der Blick dieser Augen unterstreicht die zeitgenössischen Berichte über die  Wildheit dieser Hunde. Über die Verwendung von Bullenbeißern als Wachhunde, ihr Aussehen und über ihre Pflege schreibt Flemming: „Sonsten sind auch diese Hunde, weiln sie von böser Arth, starck von Leibe und einen guten Laut haben, am nützlichsten zu guten Hoff- und Ketten-Hunden zu gebrauchen, indem dieselben sehr wachsam und alles grimmig anfallen, was sie vermercken …… Diese Hunde sind meistentheils von kurtzen Nasen und schwartz umb das Maul, die Unterlippen stehen vor, sind gelbliche oder braunstreiffigt an Farbe und sehen mit denen Augen sehr unfreundlich und launisch aus. Sie liegen ….. auf solchen Lagern an festen Ketten, dass sie einander nicht erreichen können und müssen alle Wochen zum wenigsten einmahl ihr frisches Stroh bekommen, damit sie nicht räudig werden, und einander schändlich anstecken, auch müssen öfters diese ….. durch hierzu bestellte Bauern ausgeführet werden. Sonsten werden dieselben zu steiff und verliegen sich.“

 

Die beiden  folgenden Texte aus der Zeit vor dem Verbot der Tierkämpfe 1835 sind aus dem wichtigsten deutschsprachigen Buch zu dieser Thematik. Dieter Fleig hat in seinem Buch „Kampfhunde I.“  diese Kämpfe umfassend dokumentiert und mit zahlreichen Bildern aus der Zeit um 1800 illustriert. 

L. Clark n. Henry Alken: BEAR BAITING, London 1820

BEARBAITING IN DER WESTMINSTER PIT

Bei unserem Eintritt wurde der Bär gerade von einem Hund am Kopf gepackt. Dieser gehörte einem glühenden Anhänger dieses „Sportes“, der mit hochgekrempelten Ärmeln allen erklärte, dass dies ein verdammt guter Griff sei, wirklich ein erstklassiger Griff, so wahr ihm Gott helfe. Dieser Hund hatte unter Einsatz seines Lebens den armen Bruin, den Bären, an der Unterlippe gepackt. Bruin stieß ein gewaltiges Geheul aus, das den Grad seines Leidens deutlich machte, und versuchte dann, dem Hund einen brüderlichen Hieb zu verpassen.

Die vielen anderen Hunde am Ring keiften laut voller Gier, an diesem Vergnügen sich aktiv zu beteiligen. Der Bär war mit dem Halsband über
eine Kette an einem Haken an der Wand angebunden und wurde dadurch gezwungen, fast aufrecht zu stehen. Er schüttelte seinen Gegner mit all der Wildheit und Wucht, welche durch diese überaus heftigen Qualen erzeugt werden. Nunmehr wurden Wetten abgeschlossen und Uhren herausgezogen, um genau festzuhalten, wie lange der „Wau-Wau“ den knochigen Russen noch belästige …..

Real Life in London 1821
in
 Dr. Dieter Fleig: Kampfhunde I
Kynos Verlag 1981

Henry Alken (1785 – 1851): BULL BAITING
Stierkampfszene, London 1821

BULL – BAITING IN BRISTOL!

 …. Wenige Minuten nach unserer Ankunft wurde der Bulle in den Ring geführt und an dem Pfahl angebunden. Bedachtsam umkreiste er in der vollen Länge des Seiles seinen Zirkel, seine Kreise wurden dann immer kleiner, und schließlich nahm er in der Mitte des Kreises seinen Platz ein. Hin und wieder peitschte er seine Flanken mit dem Schwanz, mürrisch stampfte er mit seinen Vorderhufen, als erwarte er ungeduldig den Beginn des Kampfes. 

Ein schöner zweijähriger Hund wurde als erster gegen ihn gehetzt. Er flog wie ein Blitz auf den Kopf des Bullen zu und versuchte, mit einem verwegenen Griff sich fest zu verbeißen. Der Bulle jedoch, der sein gehörntes Haupt dicht am Boden hielt, machte eine kleine, aber außerordentlich kräftige schnelle Wendung, löste damit den Griff des Hundes im Augenblick des Zuschnappens und schleuderte den Hund hoch in die Luft. Er fiel wieder herunter, nur etwa einen Schritt entfernt von den Fesseln des Bullen und kroch sofort und unbemerkt unter seinen Körper und packte ihn an der herunterhängenden Unterlippe. 

L. Clark n. Henry Alken: BULL BAITING, London 1820
L. Clark n. Henry Alken: BULL BAITING, London 1820

Der Bulle hatte danach geschaut, wo sein Gegner fallen würde,  und war völlig überrascht, als er spürte, dass die Zähne des Hundes sich erneut in sein Fleisch eingruben und das noch an einer Stelle, wo er es am wenigsten erwartet hätte. Jedoch in der Zeitspanne eines einzigen Augenzwinkerns wurde der Hund durch ein erneutes verzweifeltes Hochreißen des Bullenkopfes aus dem Ring geschleudert. Der tapfere Bursche jedoch, angefeuert durch die vielen Zurufe der Zuschauer, kroch erneut auf die Tod drohenden Hörner des Bullen zu. Der Bulle begegnete ihm auf halbem Wege, und durch eine erneute blitzschnelle Drehung des Kopfes stieß er ein Horn schwer in die Schulter des Hundes. Er hätte sicher diesen tapferen Kämpfer in seiner Wut umgebracht, wenn man ihn nicht dadurch befreit hätte, dass man durch einen anderen Hund die Aufmerksamkeit des Bullen ablenkte.

Das weitere Schauspiel nahm nun einen ganz großartigen Verlauf. Der Kopf des alten Bullen schien sich kaum zu bewegen, während er zwei bis drei Dutzend Hunde der Reihe nach in die Luft schleuderte, zum unablässigen Schrecken der Hundebesitzer, die oft versuchten die kopfüber zur Erde stürzenden Hunde mit ihren Armen aufzufangen. Einige dieser mutigen Tiere mussten wiederholte Verletzungen durch die spitzen Hörner und das wilde Emporgeworfenwerden hinnehmen. Dennoch krochen sie erneut auf ihren Peiniger zu und gerieten vor seine Hufe, wo sie beinahe zu Tode getrampelt wurden bei ihrem Versuch, ihren schrecklichen Gegner am Kopf zu fassen.

Sporting Magazine (London) 1821

in 
Dr. Dieter Fleig: Kampfhunde I
KynosVerlag 1981

Stierkampf, Porzellangruppe